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Corona: Junge Menschen müssen mehr in den Fokus

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Beim Jugenddialog-Event „Ein Jahr Corona – Wie es uns geht und was wir jetzt brauchen“ kamen junge Teilnehmer*innen und Verantwortliche aus Politik und Verwaltung online zusammen. Mit dabei waren die beiden Bundestagsabgeordneten Beate Walter-Rosenheimer (Bündnis 90/die Grünen) und Susann Rüthrich (SPD) sowie Dr. Lars Schulhoff (Abteilungsleiter Gestaltung der Jugendhilfe in der Sozialbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg) und Andreas Gladisch (Jugendamtsleiter in Berlin-Neukölln). Insgesamt wurde bei dem Jugenddialog-Event ein weiteres Mal deutlich, dass junge Menschen mehr in den Fokus der Politik müssen.

Foto: DBJR

Eine Hauptforderung der Teilnehmer*innen ist, dass Verantwortliche aus Politik und Verwaltung aufhören sollen, nur „über“ statt mit jungen Menschen zu sprechen. Junge Menschen sind die Expert*innen ihrer eigenen Lebensrealität und wissen demnach am besten wie es ihnen geht und was sie brauchen. Dazu zählt auch, dass junge Menschen weitaus mehr sind als Schüler*innen, Studierende oder Auszubildende. Der Bereich „Schule, Studium und Ausbildung“ allein kompensiere nicht die Bedürfnisse junger Menschen. An Verantwortliche aus Politik und Verwaltung wird daher appelliert alle Lebensbereiche junger Menschen in den Blick zunehmen. Außerdem betonten die Teilnehmer*innen entschlossen, dass sie nicht unsolidarisch und verantwortungsunbewusst handelten. Junge Menschen ziehen sich aus Solidarität zurück, halten die Corona-Regeln ein und unterstützen Risikomenschen. Sie unter „Generalverdacht“ zu stellen sei schlicht falsch.

Auch die Dialogpartner*innen waren sich einig, dass sich junge Menschen solidarisch zeigen und seit einem Jahr auf vieles verzichten. Dazu gehören vor allem Einschränkungen und teilweise Verbote von Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit, die an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen. So ist die Bundestagsabgeordnete Beate Walter-Rosenheimer zum Beispiel dafür, Jugend(verbands)arbeit als systemrelevant einzustufen.

Weiterhin teilen die Dialogpartner*innen die Meinung, dass junge Menschen nicht immer nur „an letzter Stelle“ kommen dürfen. Insbesondere während der Umsetzung der Impfstrategie in Deutschland dürfe es nicht dazu kommen, so Bundestagsabgeordnete Susann Rüthrich, dass geimpfte Personen wieder ihren alten gewohnten Alltag aufnehmen während junge Menschen es nicht dürfen.

Am Ende wurden die Dialogpartner*innen noch gefragt, was sie aus der der Veranstaltung mitnehmen:

Kinder und Jugendliche müssen institutionalisiert bei neuen Maßnahmen zu Wort kommen oder bei der Umsetzung von Beschlüssen beteiligt werden.
– Susann Rüthrich –

Eine Teststrategie muss entwickelt werden, um mehr Soziales für junge Menschen zu ermöglichen. Freizeiteinrichtungen und Bildungsstätten müssen entsprechend rasch ausgestattet werden.
– Beate Walter-Rosenheimer –

Noch mehr Beteiligung und Dialogformate müssen gefördert werden und stattfinden, um in den Austausch mit jungen Menschen zu kommen. Es ist wichtig nicht nur über, sondern viel mehr mit jungen Menschen zu reden und ihre Anliegen und Forderungen zu berücksichtigen.
– Lars Schulhoff –

Möglichkeiten für Kontakte, auch außerhalb der Schule, müssen geschaffen werden. Junge Menschen dürfen nicht nur auf ihre Rolle als Schüler*in, Studierende oder Auszubildende reduziert werden.
– Andreas Gladisch –

Hier könnt ihr die Ergebnisse zu den diskutierten Themenbereichen im Detail durchlesen:

Freizeit und Ehrenamt

Junge Menschen berichteten, dass Jugend(verbands)arbeit inzwischen mehr Arbeit als Spaß sei. Unklare und lückenhafte Regelungen, das Fehlen von finanziellen und materiellen Ressourcen sowie die Frage nach der Verantwortungsübernahme sind nur einige Beispiele für die Planungsunsicherheit mit denen Jugendverbände seit gut einem Jahr konfrontiert sind. Junge Menschen wollen sich aber wieder treffen und in den Austausch treten und zwar analog vor Ort.

Für die Teilnehmer*innen ist klar: digitale Treffen können und dürfen zukünftig nicht Präsenztreffen in der Jugend(verbands)arbeit ersetzen. Von Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung fordern sie aus diesem Grund unter anderem mehr finanzielle Ressourcen für Coronatests in der Jugend(verbands)arbeit und klare Regeln, um schnellstmöglich offline Aktivitäten für junge Menschen anbieten zu können

Schule, Studium und Ausbildung

Schüler*innen, Studierende und Auszubildende berichteten den Dialogpartner*innen von Einsamkeit, Chancenungleichheit und Zukunftsängsten.

So fehle beispielsweise die Möglichkeit sich zum Lernen zu treffen oder der Austausch in den Pausen. Schüler*innen, Studierende und Auszubildende stünden jeden Tag auf, um sich in einen digitalen Raum ein- und sich nach Ende wieder auszuloggen ohne in einen sozialen Austausch zu kommen.

Weiterhin gaben die Teilnehmer*innen mit, dass die Digitalisierung im Bereich Bildung zwar ausgebaut und verbessert wurde, jedoch vielen Familien und jungen Menschen weiterhin die nötigen Voraussetzungen und Zugänge fehlen. In Erinnerung rufen sie unter anderem, dass nicht alle ein eigenes Zimmer, in dem sie ungestört ihre Aufgaben erledigen können oder digitale (End-)Geräte, um die Lerneinheiten verfolgen zu können, besitzen. Auch Zukunftsängste begleiten die Teilnehmer*innen. Wie es nach dem Abitur oder Ausbildungs- bzw. Uniabschluss weitergeht, wüssten viele derzeit nicht.

Junge Menschen fordern daher beispielsweise die Bereitstellung von digitalen Endgeräten und somit die Versorgung aller, ein Hygienekonzept für die Nutzung von Räumen zum gemeinsamen Lernen in Präsenz, individuelle Unterstützung und Beratungsgespräche für Schüler*innen, Studierende und Auszubildende sowie die bundesweite Anerkennung der Pandemie als Verlängerungsgrund der BAföG-Zahlungen für Studierende.

Digitale und physische Räume

Im Fokus der Gespräche stand der Wegfall von physischen Räumen seit gut einem Jahr. Wenn Bildungseinrichtungen dann mal geöffnet sind, so eine Teilnehmerin, leben junge Menschen zwischen kalten Klassenzimmern oder Vorlesungsräumen und ihrem zu Hause. Dazwischen passiere kaum etwas. Die Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft, wenn sich junge Menschen mal im öffentlichen Raum unter Einhaltung der Corona-Regeln treffen, stufen die Teilnehmer*innen als gering ein. Zu bedenken an die Dialogpartner*innen geben die Teilnehmer*innen auch, dass nicht jedes Kind und jeder Jugendliche ein zu Hause hat.